Der Weg zu einem einzigartigen Hochzeits-Moment!

Mein Hochzeits-Moment des Jahres 2018!This Is Reportage Award * Collection 6 * Rossi Photography * Hochzeitsreportage * Die Entstehung eines Momentes * skurrile Hochzeitsmomente

Der Weg zu einem einzigartigen Hochzeits-Moment

/ „Smokin´ grandpa and the furious 3“

/ Ein Blick hinter die Kulissen und in den Entstehungsprozess eines meiner Lieblings-Reportagebilder des Jahres 2018.


Es gibt bestimmte Momente auf Hochzeiten, in denen wirklich magische Dinge passieren.
Richtig skurrile Hochzeitsmomente!

Wo man sich später fragt, wie zum Teufel im Bruchteil einer Sekunde und in einem einzigen Frame alle Puzzle-Teile zu einander gefunden haben, oder wo sich einfach nur eine riesige Denkblase mit folgenden fett gedruckten 3 Buchstaben überm Kopf bildet: „Wtf?!“
Wie kann es sein, dass man selbst nach der fertigen Editierung des Bildes den „zweiten Layer“ – in diesem Fall ein urkomischer in Form einer optischen Täuschung – erst mal völlig übersieht und geradezu betriebsblind ist?
Und am Ende taucht man in geradezu existentialistische Bereiche der Philosophie ein und fragt sich:
„War das einfach nur Glück? Oder steckt etwas anderes dahinter?“

 

Die Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeitsweise

Vor kurzem fragte mich Alan, der Gründer von „This Is Reportage„, ob ich nicht für die Blog-Rubrik „This is How“ ein paar Worte zur Entstehung meines Award-Bildes schreiben wolle.
Gesagt, getan!
Das war das erste mal, dass ich mich intensiver als bisher mit der Frage „Was habe ich da eigentlich fotografiert und warum?“ auseinandergesetzt habe – auf einer viel tieferen und eben auch „auf Papier gebrachten“ analytischen Art und nicht nur auf der technischen Ebene.
Sowas sich mal „von der Seele“ zu schreiben macht einem das ganze „dahinter“ zudem erst so richtig bewusst.

Und nun ja, da ich sowieso eine ziemliche Quasselstrippe bin und ich einfach sau gerne texte, wurde aus diesen „paar Worten“ dann doch ein viel längerer Artikel, als ich gedacht hatte…

Für alle, die also keine Lust auf die originale englische Version auf „This Is Reportage“ haben, hier das ganze in Deutsch 😉

Enjoy!


Gimme some RAW Funk!

Die folgenden Shots sind komplett „out of camera“, unbearbeitet und „raw“.
Denn wir kochen schließlich alle nur mit Wasser, und daher möchte ich euch die originalen Bilder direkt aus der Kamera zeigen, um den Entstehungsprozess des fertigen Bildes nachvollziehbarer zu gestalten.

Here we go!

(Zeit: 14.37.08)

Das obige Bild zeigt die Szenerie, wie sie sich mir zu Beginn einige Minuten – um genau zu sein, exakt 1 Minute und 32 Sekunden 😉 – vor dem Shot zeigte.

In der Hochzeitsfotografie dreht sich eigentlich alles nur um das eine: Beobachten, beobachten, beobachten!

Der Weg zum finalen Bild war im Grunde eine Kausalkette scheinbar zufälliger Ereignisse.
So stand ich eine Minute vor diesem Bild eigentlich oben rechts auf der Kanzel und fotografierte das Paar von dort – denn der Pfarrer war einer der coolsten, die ich je kennengelernt habe und ich hatte alle denkbaren Bewegungsfreiheiten, sogar von hinter dem Altar aus durfte ich fotografieren.

Der coolste Pfarrer ever!

Ich stand also oben auf der Kanzel, als der Pfarrer mich mit einer nicht übersehbaren Handbewegung zu sich nach unten bat – was, wie sich später herausstellte, bei den Gästen wiederum völlig missverständlich interpretiert wurde. Denn die dachten, der Pfarrer hätte mich gerügt und ich solle von da oben bitteschön herunter kommen…

Das Missverständnis konnte ich natürlich später schnell auflösen – denn tatsächlich hatte der Pfarrer mir zugeraunt: „Schau mal hier, da fällt das Licht sooo cool durchs Kirchenfenster, von hier hast du ein Hammer Licht, das musst du fotografieren!“

Wenn ihr also wirklich Lust auf einen extrem gechillten und super sympathischen Pfarrer habt, dann fragt mich einfach und ich vermittle euch gern den Kontakt! 😉

Unten angekommen und hinter dem Altar stehend, ging mein Blick also zuerst zum Brautpaar – doch das Licht war noch viel zu grell und sorgte für einen viel zu starken Kontrast. Ich ließ also meinen Blick wandern und erblickte sofort die drei hibbeligen Jungs in der ersten Reihe neben dem Vater des Bräutigams.

Nach einigen weiteren Test-Shots vom Brautpaar und einem kurzen Schwenk zur Sängerin, die gerade auf der hinteren oberen Empore ein tolles Lied zum besten gab, entschied ich mich jedoch schnell, mich in den nächsten Minuten ganz allein auf das Geschehen in der ersten Reihe zu konzentrieren und das Brautpaar völlig auszublenden.
Ich wusste einfach, das bald etwas Interessantes passieren würde – ich musste nur darauf warten.

In den folgenden 30 Sekunden entstanden diese 4 Bilder:


(Zeit: 14.38.26)

(Zeit: 14.38.32)

(Zeit: 14.38.34)

… und dann war er da, der Moment!

(Zeit: 14.38.40)

Der Vater des Bräutigams hatte einfach die Faxen dicke und bedeutete den Jungs, jetzt aber doch mal still zu sein…
Und ich wusste, das war der Shot, den ich wollte, auf den ich gewartet hatte!

Zu diesem Zeitpunkt wurde ich nach einem schnellen Blick aufs Display jedoch noch gar nicht des zweiten kuriosen „Layers“ gewahr.
Ich ahnte noch nicht, welches Potential in diesem Bild steckte…


Der Editing-Prozess

Während ich mich beim Cullen durch die vielen Bilder arbeitete, wusste ich bei diesem hier sogleich, dass dieses Bild nur in Schwarzweiß funktionieren würde.
Bei Shots wie diesem würde Farbe nur von der Szenerie selbst ablenken, weshalb ich Bilder wie das hier gar nicht erst in Farbe bearbeite, sondern direkt in Schwarzweiß.

Und so sah dann die erste editierte Version mit meinem Schwarzweiß-Look aus – noch gänzlich ungecroppt und ohne jedwedes Dodge & Burn.

Das erste kleine Problem – das im OOC-RAW gut sichtbare sehr grelle Licht im Gesicht des Jungen rechts neben dem Großvater – zeigt mir mal wieder, wie wichtig ein zuverlässiges Arbeitstier wie die 5DMK4 ist und dass ich mich bei solch extremen Kontrasten auf den großen Dynamikumfang dieser Kamera 100%ig verlassen kann.
Wie man sieht, reichte schon die erste Zuweisung meines SW-Presets, die fast ausgefressenen Lichter im Gesicht des Jungen zu retten.

Mein Schwarzweiß-Look

Meinen Schwarzweiß-Look habe ich übrigens selbst entwickelt, aber es steckt eigentlich kein großes Geheimnis dahinter.

Ich drehe teils schon recht extrem an den Reglern – Lichter ziehe ich bis zu minus 75 herunter, die Tiefen wiederum bis zu 75 herauf, Weiß und Schwarz ebenfalls bis zu minus 75 oder mehr. Und ich mag richtig knackige schöne Kontraste, aber dennoch eine gute Durchzeichnung der Weißen und Schwärzen.

Apropos Schwarz: Ein 100%ig tiefes und reines Schwarz gibt es bei mir so gut wie nie, dafür sorge ich mit einer leicht S-förmigen „matten“ Gradations-Kurve.
Und auch ein leichtes Korn ist mir wichtig, weil es für mein Empfinden einen Hauch mehr Organik in die Bilder hineinbringt und ihnen einen Tick mehr Lebendigkeit verleiht.

Nach der ersten Justierung auf eine ausgewogene Belichtung war die Arbeit aber noch nicht getan.
Ich hatte von hinter dem Altar aus fotografiert und hatte links die große Kerze noch mit im Bild, welche mich ziemlich störte.
Auch das weiße Hemd des Jungen ganz links lenkte meinen Blick zu sehr vom Geschehen ab (das Auge geht als erstes immer zur hellsten Stelle im Bild).
Also beschnitt ich das Bild und entledigte mich aller unwichtigen und ablenkenden Information.
Nun wirkte die Komposition auch viel harmonischer.

Der unscharfe noch sichtbare helle Teil der Kerze oben links störte mich aber immer noch und auch die Gesichter mussten noch mehr definiert werden.
Also hellte ich die Köpfe der Protagonisten partiell auf…

(hier sieht man die aufgehellten Bereiche bzw. wo ich den Pinsel eingesetzt habe)

… und dunkelte den Bereich mit der Kerze ab…

… et voilá! Fertig!

Die Meta-Ebene…

Und nun kommt der lustige Part der ganzen Geschichte…
Wer es bisher immer noch nicht bemerkt haben sollte: Bitte nochmal ganz genau hinschauen…
Was macht der Großvater da?
Moment… der raucht doch nicht etwa eine dicke Tüte? Mitten in der Kirche während der Trauungs-Zeremonie?! Alter Falter, das nenne ich mal Mumm!! 😉

Aber nein, natürlich ist es KEIN Joint, den er da hält. Es sieht nur so aus. Der Hemdkragen des Gastes dahinter ist es, der für diese ulkige optische Täuschung sorgt.

Was ich aber am meisten an diesem Bild liebe, sind die Reaktionen in den Gesichtern der Gäste drumherum, die extrem gut zum „Joint“-Layer passen. Alles passt einfach zusammen wie ein Puzzle!
Der Witz dabei ist, dass ich diese zweite humoristische Ebene zuerst gar nicht erkannt habe, selbst, nachdem das Bild fertig bearbeitet war.
Erst, nachdem einige Kollegen augenzwinkernde Kommentare unter das Bild posteten, als ich es auf Facebook zeigte, warf ich einen noch genaueren Blick auf die Szenerie und entdeckte erst dann den „Joint“. Oh man, ich war so blind!! 🙂

Lessons learned

Was habe ich durch diesen Prozess am Ende also gelernt?

Zum einen folgendes: Fokussiere dich auf das Wesentliche!
Wenn du eine Szenerie erblickst, die Potential beherbergt, dann warte und beobachte!
Konzentriere deinen Fokus nicht nur aufs Paar und auf die offensichtlichen Dinge. Behalte allein diese eine Szenerie im Blick. Und sei geduldig!
Auf einer Hochzeit warten so viele unglaublich witzige und skurrile Momente nur darauf, eingefangen zu werden!

Die Sache mit dem Glück

Eine Sache noch, die mir keine Ruhe lässt:
Gibt es wirklich so etwas wie Glück? Existiert das, was man gemeinhin Zufall nennt, wirklich?

Ich bin da ehrlich gesagt nicht so sicher.
Ich würde eigentlich sogar behaupten, dass es keinen wirklichen Zufall gibt. Und auch kein Glück!
Aber was ist es dann? Schicksal?

Wenn ich etwas in den letzten zwei Jahren und etwa 40 fotografisch begleiteten Hochzeiten gelernt habe – seitdem sich meine Art, Dinge zu sehen, dramatisch verändert hat und ich Hochzeiten in einer viel unoffensichtlicheren Art erlebe und fotografiere als zuvor – dann ist es  das:

Am Ende geht es nur darum, sich „fallen lassen“ zu können, mit dem „Flow“ zu treiben, den Kopf auszuschalten und einfach viel mehr aufs Bauchgefühl und die eigene Intuition zu lauschen.
Und: Es gibt kein Glück – es gibt nur harte Arbeit und einen bedingungslosen Glauben an das eigene Können!
Und dieses Können wiederum resultiert allein aus aufmerksamer und stetiger Beobachtung.
„Think less. Feel more!“

Ich hoffe, euch hat mein kleiner Blick hinter die Kulissen gefallen und ich konnte euch meine Arbeitsweise ein wenig näherbringen!

Über Feedback freue ich mich natürlich sehr!

In diesem Sinne:

Stay focused! 😉

Ahoi!

Euer Rossi! =)

1 Comment

  1. Arvid Ellenberger /

    Hallo Rossi,

    danke für den tollen Artikel, wo du einen Einblick gibst in deine Arbeitsweise wie ein so tolles Bild entstanden ist und was man dann noch in der Nachbearbeitung alles daraus machen kann.
    Ja, es stimmt, man sollte sich kleine Szenen aus dem Hochzeitstag herauspicken, abwarten und dann fotografieren.
    Gerade was alles so nebenher vom Brautpaar abläuft ist interessant und bietet außergewöhnliche Motive an.
    Werde in Zukunft darauf achten und mit dem Flow schwimmen! :-))

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